Von der Ringermatte in den Friseursalon

Gastbeitrag:

Zwölfter Beitrag der Artikelreihe: Moderne Mykologie in der Dermatologie

von Herrn Prof. Hans-Jürgen Tietz, Leiter des Instituts für Pilzkrankheiten, Berlin

Die Mykosen sprießen an allen Ecken und Enden. Nicht erst seit kurzem gibt es immer wieder Patienten, die sich beim Haareschneiden einen Pilz eingefangen haben. Der goldene oder silberne Kamm hat nach den Corona-Lockerungen in der Branche wieder Hochkonjunktur.

Abb. 1: Jugendlicher nach Besuch in einem Friseursalon, vor (links, a) und nach ungenügender Lokalbehandlung (rechts, b), mit dankbarer Genehmigung von Frau Dr. Salgo, Frankfurt/M).

Nachdem im Sommer und Herbst häufig der hochansteckende frühere „Waisenhauserreger“ M. audouinii vom Strandhaar-Dressing aus Mallorca mitgebracht wurde, ist es nun T. tonsurans, der vermehrt in Haarsalons für Ärger unter den Kunden sorgt. Ein aktuelles Beispiel ist anbei, vor und nach Therapie mit einer unzureichenden Lokaltherapie (Abb. 1). Seitdem erfolgt eine zusätzliche systemische Therapie. Mittel der Wahl sind Fluconazol oder Itraconazol.

T. tonsurans, der seinen Namen dem Bild einer Tonsur auf dem Kopf verdankt, wurde in den 90iger Jahren von Würzburger und Berliner Ringerstaffeln aus den USA mitgebracht, nachdem er damals in Deutschland als nahezu ausgestorben galt. Seither ist er endemisch, speziell im Kampfsport als „Mattenpilz“ weit verbreitet und gefürchtet. Dort gilt er, trotz aller Vorschriften, als unausrottbar und gehört irgendwie dazu. Enge Freunde aus der Mykologie wie Prof. Nenoff aus Leipzig und Dr. Malisiewicz aus Frankfurt am Main berichten immer wieder davon. Mir sagte einmal ein 8-jähriger Patient: „Weißt Du was Onkel Doktor, die ganze Bundesliga sieht so aus wie ich“.  Die Tinea corporis gladiato-rum hatte damals sogar die Nationalstaffel erreicht. „Lieber maskiere ich die Stellen, als vom Wettkampf ausgeschlossen zu werden“. Heilung und Aufklärung des Patienten, solche Dinge besser nicht zu tun, zogen eine freundliche Einladung zu einem Vortrag beim Ringerbund nach sich.

T. tonsurans ist ein Allrounder, ein Multitalent. Neben der Tinea corporis oder capitis, die gerade in Kindertagestätten wütet, um im heutigen Sprachjargon zu bleiben, ist in den USA sogar die Nr. 1 unter der Onychomykose-Erregern.

Die Spezies besitzt zudem mehrere Varianten. Am bedeutendsten ist die schwefelgelbe Variatio sulfureum. Im vorliegenden Fall verhielt sich der Erreger eigenartig. Er gedieh nur sehr langsam, um sein Wachstum dann gänzlich einzustellen. Einen solchen Stamm sahen wir des Öfteren, was andere Pilzforscher bislang noch nicht bestätigen konnten. Vielleicht liegt es am Medium.

Abb. 2: PCR-Befund (EUROArray Dermatomycosis) des Erregers. Diagnose: T. tonsurans.

Wie dem auch sei, man kann von einer atypisch gewachsenen Kultur leicht eine PCR anfertigen, was auch epidemiologisch wichtig ist. Der PCR-Befund war eindeutig: T. tonsurans (Abb. 2). Das Matten- bzw. Barbierproblem ist damit jedoch noch nicht gelöst. Hier bedarf es tüchtiger Epidemiologen, auch in der Mykologie.

 

 

 

Herzlichst, Ihr Hans-Jürgen Tietz

 

 

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