Subklinische Infektionen nach Kamelkontakt als wichtige Quelle für MERS-Erkrankungen identifiziert

Eine groß angelegte Seroprävalenzstudie mit repräsentativen Blutspendern aus Saudi-Arabien hat eine bedeutende Anzahl subklinischer Infektionen mit dem Middle East Respiratory Syndrom Coronavirus (MERS-CoV) aufgedeckt. Bei Personen mit regelmäßigem Kontakt zu Kamelen wurden die Antikörper gegen MERS-CoV dabei deutlich häufiger gefunden als bei Personen, die nicht mit den Tieren in Berührung kommen. Diese subklinisch infizierten Menschen stellen eine weitere mögliche Quelle für Neuinfektionen dar. Sie könnten vergangene Ausbrüche der Erkrankung erklären, die nicht auf direkte Kamelkontakte zurückzuführen waren.

In der Studie, die kürzlich in „The Lancet Infectious Diseases“ erschienen ist, wurden über 10.000 humane Serumproben von Spendern aus den 13 Provinzen Saudi Arabiens untersucht. Zusätzlich wurden 227 Seren von Hirten und Schlachthof-Mitarbeitern getestet, die beruflich häufig in Kontakt mit Kamelen kommen. Die Proben wurden zunächst mithilfe eines rekombinanten ELISA analysiert. Positive Ergebnisse wurden anschließend durch einen rekombinanten Immunfluoreszenztest und einen Neutralisationstest (Plaque-Reduktions-Assay) bestätigt.

Anti-MERS-CoV-Antikörper wurden bei 0,15 Prozent der Personen aus der normalen Bevölkerung entdeckt sowie bei 2,3 Prozent der Hirten und 3,6 Prozent der Schlachthaus-Mitarbeiter. Damit ist die Antikörperprävalenz in Personen mit regelmäßigem Kontakt zu Kamelen 15 bis 23 Mal höher als in Personen ohne Umgang mit den Tieren. Die seropositiven Individuen zeigten keine Symptome einer schweren Erkrankung, was auf eine subklinische Infektion hindeutet. Ihr Durchschnittsalter lag deutlich unter dem Labor-bestätigter MERS-Patienten. Insgesamt waren Männer wesentlich häufiger infiziert als Frauen. Anti-MERS-CoV-Antikörper wurden bei Menschen aus sechs der 13 Provinzen nachgewiesen, die vermehrt in den zentralen, mehr ländlichen Regionen des Landes liegen. Hochrechnungen der Studienergebnisse lassen vermuten, dass bis zu 45.000 Menschen (über 15 Jahre) in Saudi Arabien Antikörper gegen MERS-CoV in sich tragen.

MERS-CoV ist ein neu identifizierter Erreger, der für schwere, zum Teil tödliche Infektionen der Atemwege verantwortlich ist. Bislang ist besonders die Arabische Halbinsel von Krankheitsausbrüchen betroffen. Seit September 2012 wurden weltweit 1.106 MERS-Infektionen offiziell bestätigt, 421 davon endeten tödlich (WHO, Stand 16.04.2015). Das Virus kann durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion von Mensch zu Mensch oder durch den Kontakt zu infizierten Kamelen übertragen werden. Die in Saudi Arabien zwar geringe, aber geografisch weitverbreitete Präsenz der Anti-MERS-CoV-Antikörper, darunter auch in den Provinzen, die bislang keinen Ausbruch der Infektion gemeldet haben, ist im Einklang mit der Auffassung von MERS als vorrangig von Tier auf Mensch übertragene Infektionskrankheit, die allerdings nur ineffektiv verbreitet wird. Die Studie von Müller et al. zeigt, dass subklinische Infektionen eine wichtige Ursache für Neuinfektionen mit MERS-CoV bei Menschen ohne Kontakt zu Kamelen sein könnten. Somit würde die Lücke in der Infektionskette vom Kamel zum klinisch erkrankten MERS-Patienten geschlossen.

Müller MA et al., Lancet Infect Dis doi: 10.1016/S1473-3099(15)70090-3

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