Die Hände des Gitarristen

Gastbeitrag:

15. Beitrag der Artikelreihe: Moderne Mykologie in der Dermatologie

von Herrn Prof. Hans-Jürgen Tietz, Leiter des Instituts für Pilzkrankheiten, Berlin

 

Laut einer Umfrage von YouGov ist nur einem Viertel der Patienten mit wiederkehrender Fußmykose bewusst, dass sie für sich und andere ansteckend sind. Auch der an einer Mykose der Zehennägel erkrankte Rockgitarrist in Abb. 1 ahnte nicht, dass sich im Daumen- und Fingernagel seiner Spielhand der gleiche Erreger eingenistet hatte wie an seinen bisher nicht behandelten Füßen. „Das behindert mich beim Spielen sehr. Und jeder sieht es“. Der Daumennagel hatte kaum noch Kontakt zum Nagelbett, war innen hohl und für eine Onychomykose ungewöhnlich hart. Daher kam ebenso eine berufsbedingte Onychogrypose in Frage, die auch bei Geigern häufig ist, in möglicher Allianz mit einer Onychomykose ‒ eine zugegeben seltene Kombination. Der Leidensdruck des Musikers war jedenfalls hoch: „Meine Hände sind mein Kapital. Was, wenn ich gar nicht mehr spielen kann?“.

Seine Podologin sagte, es sei ein Pilz. Tags zuvor hatte er daher die Nägel noch einmal mit einem medizinischen Nagellack behandelt. Den mitgelieferten kosmetischen Lack hatte er seiner Frau geschenkt.

Die Podologin sollte mit ihrer Diagnose recht behalten, denn der EUROArray Dermatomycosis ergab für Hände und Füße des Gitarristen ein T.-rubrum-positives Resultat. Das zeigt zweierlei:

  • Auch stark verhornte Nägel können von einer Pilzinfektion betroffen sein.
  • Acryllacke stellen kein Hindernis für die PCR dar.

Es folgte eine kontinuierliche, an die Biologie des Erregers angepasste, gut verträgliche minimale systemische Therapie mit 1× 200 mg polymerisiertem Itraconazol pro Woche. Lokal wurden die Nägel mit einem neuartigen, 40%igen Harnstoff-GelOil behandelt. Es ist sowohl für die Behandlung der Onychomykose als auch der Onychogrypose geeignet und kommt aufgrund der speziellen Galenik ohne Pflasterverbände aus. Parallel erfolgte eine tägliche Therapie mit Ciclopoli-Lack. Durch einen Kapillareffekt dringen beide Topika tief und auch in harte Nägel ein.

Abb. 2: Zustand der Nägel nach Therapie mit Itraisdin (200 mg/Woche), Ureadin Ultra 40 Intensiv Gel-Oil und Ciclopoli-Lack, 189 Tage nach der Erstvorstellung
Abb. 1: Daumen- und Fingernagel eines 69-jährigen Rockgitarristen mit Verdacht auf Onychomykose versus Onychogrypose (bei positivem Ergebnis des EUROArray Dermatomycosis für T. rubrum)

Nach sechs Monaten waren die Nägel der Hand geheilt (Abb. 2), mit Ausnahme von Splitterblutungen, die im Zuge von Mykosetherapien keine Seltenheit sind. Beide Nägel waren anatomisch wieder voll intakt, mit fester Bindung zum Nagelbett, was auch beruflich für den Musiker wichtig ist. Er war vom Ergebnis der Therapie begeistert: „Sogar die Haut ist neu wie bei einem Baby!“. Die Pflege der Nägel erfolgte fortan mit einem Nagelstärker auf der Basis von Mastix, Hyaluronsäure und Silizium. Die nächste Tournee könne nun kommen, so der Gitarrist, zumal nun auch Corona vorüber sei. Doch nicht nur die Lebensqualität des Musikers war wieder hergestellt, es musste auch kein Rezidiv mehr befürchtet werden: Eine weitere PCR zur Kontrolle der Therapie fiel negativ aus, was bedeutete, dass keine Pilzsporen – die wichtigste Ursache für ein Rezidiv – mehr nachweisbar waren.  

Das Beispiel zeigt einmal mehr, was die Mykologie für ein liebenswertes Fachgebiet ist. Wenn die Diagnose stimmt, ist sie von grandiosen Heilerfolgen gesegnet, gepaart mit großer Dankbarkeit der Patienten für „dieses nicht mehr für möglich gehaltene Wunder“. Der nächste Kontrolltermin erfolgt nunmehr backstage, quasi hinter der mykologischen Bühne, denn: „Die Füße brauchen sicher noch etwas Zeit“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Gewissheit, dass die Diagnostik und die Therapie der Mykosen im Wortsinn dieser Kasuistik bei Ihnen in den besten Händen sind, beende ich hiermit meine kleine Serie aus dem Praxisalltag der Mykosen und bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und Wertschätzung!

Als Fazit bleibt: Jede Mykose ist diagnostizierbar, jede Mykose ist heilbar. Die Möglichkeiten hierzu sind heute besser denn je ‒ dank der PCR und vieler therapeutischer Innovationen. Die Pilzheilkunde ist damit auf einem guten Weg. Möge sie den meisten Praxen und Kliniken erhalten bleiben! Denn Pilzerreger sterben niemals aus.

In enger und bleibender Verbundenheit
Ihr Hans-Jürgen Tietz

 

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